Interview mit Andrea Fütterer

Andrea Fütterer ist Vorstandsvorsitzende des Forums Fairer Handel und seit vielen Jahren Leiterin der Abteilung Grundsatz und Politik bei der GEPA. Wenn es um (ferne) Gedanken zu der Zukunft des Fairen Handels geht, schwebt ihr der Faire Handel als neue Normalität und die negative Kennzeichnung unfairer Produkte vor.
Wenn Du jemanden triffst, der keine Berührungspunkte zum Fairen Handel hat, wie erklärst Du ihm die Tätigkeit des Forums Fairer Handel?
Das Forum Fairer Handel hat sich vor genau 20 Jahren gegründet, damals als Netzwerk der Organisationen und Akteure; heute sind wir der Verband des Fairen Handels in Deutschland. Unsere Ziele, damals wie heute, sind die Schärfung des Profils des Fairen Handels, gemeinsame Forderungen gegenüber Politik, Wirtschaft und Handel durchzusetzen und eine stärkere Ausweitung des Fairen Handels zu erreichen.
Dazu arbeiten wir in verschiedenen Fachgruppen, z.B. zu Grundsatz- und Politikfragen, oder zu Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und der Fairen Woche. Wir machen Veranstaltungen und Dokumentationen zu aktuellen Themen, arbeiten an der strategischen Weiterentwicklung des Fairen Handels und sind mittlerweile auf verschiedenen Ebenen Ansprechpartner von Ministerien.
Die wichtigste Grundlage für die erfolgreiche Arbeit des Forums ist der Zusammenschluss und das gemeinsame Auftreten „mit einer Stimme“ für den Fairen Handel, da hat uns das Forum schon oft die Gelegenheit gegeben, uns auszutauschen und auch mal „zusammenzuraufen“. Bereits seit 2002 versteht sich das Forum als politische Stimme des Fairen Handels in Deutschland.
Was waren die größten Erfolge, die das Forum in den vergangenen 20 Jahren erzielen konnte?
Die zwei jüngsten Erfolge konnten wir letztes Jahr feiern: Zuerst wurden im Mai die gravierendsten unlauteren Handelspraktiken im sogenannten „Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich“ verboten, und dann im Juni das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: Lieferkettengesetz) beschlossen. Beides sind Meilensteine, beinhalten sie doch Forderungen, die die Fair Handels-Bewegung seit Beginn stellt, um den internationalen Handel gerechter zu gestalten und einen Systemwandel zu erreichen. Natürlich haben wir das nicht alleine geschafft, sondern im Verbund mit vielen anderen Organisationen und Initiativen! Und wir wissen alle, dass beide Gesetze noch stark verbesserungswürdig sind. Aber wer hätte vor Jahren darauf gewettet, dass es diese Gesetzgebungen geben wird? Von 2002 bis heute war es ein langer und manchmal kurvenreicher Weg, uns als Forum Fairer Handel auf der politischen Bühne zu etablieren, mittlerweile sind wir regelmäßige und anerkannte Gesprächspartner zu den verschiedensten Themen von Handels und Klimagerechtigkeit.
Und ein ganz besonderer Erfolg, besonders für unsere Handelspartner im Globalen Süden, ist die erfolgreiche Zusammenarbeit von FFH mit BMZ/GIZ über den COVID-Soforthilfe-Fonds. Über das Forum Fairer Handel e.V. konnten insgesamt 2,8 Millionen Euro als direkte Zuschüsse für Handelspartner im Globalen Süden bereitgestellt werden. Abgesehen von den erheblichen finanziellen Mitteln an die Produzenten-Organisationen konnten wir so die Arbeit, Wirkungsweise und Professionalität von Kleinbauern-Organisationen im Globalen Süden in den Fokus rücken.
Im Forum Fairer Handel sind viele verschiedene Akteure Mitglied: Vom Weltladen-Dachverband, über die GEPA und El Puente bis hin zu Naturland. Denkst Du, diese Bereitschaft gemeinsam für eine Sache einzutreten, ist eine besondere Stärke des Fairen Handels?
Das sehe ich auf jeden Fall so. Die Tatsache, dass wir (fast) alle Akteure einer fairen Lieferkette, von den Produzent*innen bis in den Weltladen abbilden, beweist, dass der Systemwandel möglich ist, und nicht nur eine Träumerei. Wir kennen unsere große Lücke, den Transport, aber auch diese werden wir noch in den Griff bekommen. Alle zusammen, jede und jeder mit dem eigenen Schwerpunkt, kämpfen wir auf den verschiedenen Ebenen, dem Handel an sich, der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und der politischen Lobbyarbeit, und das macht uns „unwiderstehlich“, die Menschen können sich auf der Ebene einbringen, die für sie am besten passt. Ob Politik mit dem Einkaufskorb oder der Protest auf der Straße, alles ist nötig für den Wandel.
Welche Wünsche und Ziele hast Du als Vorstandsvorsitzende des Forums für die Zukunft des Fairen Handels in Deutschland?
Ich glaube, meine kurze Antwort darauf ist schon allseits bekannt: Eine faire und ökologische Marktwirtschaft muss zur Norm werden und die unfairen Produkte werden negativ „ausgezeichnet“. Da ich Realistin bin und z.B. die Umsatzzahlen des Fairen Handels in Deutschland oder die fairen Pro-Kopf-Ausgaben kenne, sind meine Wünsche eher unbescheiden: Die Anzahl der engagierten Menschen, der Weltläden, der Fair-Handels-Organisationen muss sich vervielfältigen. Unter der Überschrift der sozial-ökologischen Transformation brauchen wir Allianzen mit den vielen Bewegungen und Initiativen, die in dieselbe Richtung denken und gehen wie wir. Und das Tempo der entsprechenden politischen Weichenstellungen muss sich erhöhen, damit wir eine lebenswerte Welt weitergeben können.
Hier ist Platz für ein paar Glückwünsche, die Du El Puente mit auf den Weg geben möchtest.
Wie Euer Name schon sagt, Ihr seid die Brücke, zwischen dem Globalen Norden und Süden, zwischen Produzent*innen, Konsument*innen und vielen weiteren Akteuren im Fairen Handel, zwischen den Anfangsjahren des Fairen Handels und Heute, mit allen Entwicklungen und ständig neuen Herausforderungen! Ihr habt 50 Jahre als Brücke zusammen mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern erfolgreich gemeistert, viele Dinge auf den Weg gebracht. Im Namen des Forums Fairer Handel wünsche ich Euch noch viele erfolgreiche Jahrzehnte und dass wir gemeinsam den nötigen Wandel schaffen!
Vielen Dank Andrea Fütterer!