Interview mit Birgit Calix

Birgit Calix ist bereits seit 1998 im Fairen Handel tätig. Als derzeitige Koordinatorin der Abteilung Partnerorganisationen im Süden bei der EZA in Österreich ist ihr Beruf zur Berufung geworden. Seit 20 Jahren steht sie so im ständigen Austausch mit Fairhandels-Akteur*innen weltweit.
Liebe Frau Calix, wie sind Sie zum Fairen Handel gekommen?
Für mich begann der Faire Handel mit einem großen Abenteuer als noch sehr junger Mensch, als ich nach meiner Matura mit 18 Jahren für ein Austauschjahr (freiwilliges soziales Jahr) nach Honduras ging. Stand am Beginn noch der Reiz der großen weiten Welt, des Neuen und Unbekannten im Vordergrund, wurde in mir sehr schnell das Interesse an politischen – vor allem entwicklungspolitischen und globalen – Fragestellungen geweckt. Mein Austauschjahr in Honduras hat mich sehr stark beeinflusst und politisiert. Besonders nachhaltig war dabei der Eindruck der globalen Ungerechtigkeiten und strukturellen Benachteiligung eines Landes wie Honduras und seiner Menschen.
Diese Erfahrung brachte mich dazu Publizistik und Kommunikationswissenschaft zu studieren. Noch während des Studiums begann ich freiwillig für den „Österreichischen Informationsdienst für Entwicklungspolitik“ (heute Südwind Agentur) zu arbeiten. Nach dem Studium bekam ich die Stelle als Klimabündnis-Beauftragte für das Land Salzburg. Mein Interesse für globale Zusammenhänge wurde immer größer. 1998 kam ich durch eine Karenzvertretung in die Abteilung Info & Partnerorganisationen der EZA Fairer Handel. Jetzt bin ich bereits seit über 20 Jahren in diesem Bereich aktiv. Heute ist mein Beruf meine Berufung, und ich hoffe, diese Arbeit noch lange leisten zu können und
zu dürfen!
Können Sie sich an Ihren ersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Hat sich seitdem grundlegend etwas verändert?
Ja, das war am Beginn meiner Studienzeit in Salzburg. Ich war noch nicht lange aus Honduras zurück und bekam zu meinem Geburtstag einen Gutschein für den Weltladen in Salzburg geschenkt. Als ich in den Laden kam hat mich sofort dieses Ambiente der „großen weiten Welt“ und Vielfalt der Produkte, Gerüche und Materialien beeindruckt. An dieser Vielfalt hat sich nicht viel geändert, an den Produkten und der Präsentation der Produkte hingegen schon. Heute sind die Weltläden in Österreich viel besser sortiert, bemühen sich um eine entsprechende Präsentation der Produkte und natürlich haben sich auch die Produkte weiterentwickelt, orientieren sich an den aktuellen Trends, haben ein modernes Design, und die Lebensmittel im Weltladen sind heute fast alle bio.
Können Sie uns mehr zum Fairen Handel in Österreich erzählen? Gibt es Unterschiede zur Fairhandels-Bewegung in Deutschland?
Der Faire Handel in Deutschland hat ganz sicher viel mehr und unterschiedliche Akteure, ist vielschichtiger. Vor allem gibt es eine sehr gute Vernetzung der Weltläden aber auch der Importeure und übrigen Fairhandels-Akteure untereinander wie zum Beispiel das Forum Fairer Handel. So etwas gibt es in Österreich nicht. Es wird auch sehr gute politische und inhaltliche Arbeit geleistet. Es gibt eine lebendigere Szene, mehr Diskussion und auch kritische Auseinandersetzung mit dem Fairen Handel als bei uns in Österreich.
Auf der anderen Seite gibt es einen auffälligen Unterschied zwischen österreichischen und deutschen Weltläden. In Österreich müssen alle Weltläden der ARGE WL beitreten. Damit verbunden sind verschiedene Auflagen hinsichtlich Öffnungszeiten, Anstellung, Bezug der Produkte von der ARGE WL anerkannten LieferantInnen, etc. Ich würde sagen, dass die Professionalisierung der Weltläden in Österreich weiter vorangeschritten ist als in Deutschland. Zudem ist die Dichte der Weltläden und der Pro-Kopf-Umsatz an fair gehandelten Produkten in Österreich deutlich höher als in Deutschland.
Beschreiben Sie bitte einmal Ihren typischen Arbeitsalltag? Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spaß?
Das Schönste an meinem Arbeitsbereich ist der ständige Kontakt mit der halben Welt. Ich bin ja täglich mit der Informationseinholung, dem Monitoring und den „Partneragenden“ rund um die 140 EZA-Partnerorganisationen zuständig, wobei mein geographischer Fokus auf Mexiko & Mittelamerika, Nordafrika, Asien, Nahost und Bolivien liegt, da ich diese Zuständigkeit mit einem Kollegen teile. Bei meiner Arbeit geht es vor allem um Kommunikation. Ich kommuniziere ständig – auf Deutsch mit KundInnen und KollegInnen, auf Englisch und Spanisch mit unseren PartnerInnen in Übersee.
Besonders schön sind natürlich die Besuche unserer PartnerInnen bei uns im Haus, die Organisation von Produzententouren durch Österreich und die Reisen zu unseren Partnerorganisationen. Vieles davon konnte die letzten beiden Jahre aufgrund der Pandemie leider nicht mehr stattfinden, aber ich freue mich schon wieder auf die persönlichen Begegnungen mit engagierten Menschen aus aller Welt!
Und zuletzt ein Blick in die Glaskugel, wo könnte der Faire Handel im Jahre 2072 stehen?
Diese Frage ist wohl kaum seriös zu beantworten, gerade jetzt, wo wir noch nicht einmal wissen, was die nächsten Monate und Jahre für uns bringen werden. Aber wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann würde ich mir wünschen, dass es in 50 Jahren den Fairen Handel, wie wir ihn heute kennen, nicht mehr brauchen wird, weil das Lieferkettengesetz und andere gesetzliche Rahmenbedingungen ein Umfeld schaffen, in dem sich der Faire Handel neuen Themen und Schwerpunkten widmen kann. Denn Fairness, Gerechtigkeit und der Einsatz für benachteiligte ProduzentInnen werden wohl auch in 50 Jahren noch wichtige Aspekte sein, für die es sich zu engagieren gilt.
Vielen Dank Birgit Calix!