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Interview mit Cornelius Bockermann

Cornelius Bockermann Avotuur c Daniela Buchholz DSCF Bearbeitet

Cornelius Bockermann setzt mit seinem Engagement für nachhaltige Schifffahrt ein wichtiges Zeichen. Seit einigen Jahren transportieren er und sein Team unseren „Kaffee Ahoi“ mit einem 100 Jahre alten Frachtsegler nahezu klimaneutral von Lateinamerika nach Hamburg.

Die letzten großen Frachtsegler wurden im vergangenen Jahrhundert außer Dienst gestellt, weil sie nicht mehr rentabel waren. Warum versuchst Du es erneut?

Die große Zeit der Frachtsegelschiffe ging Anfang der 1930er Jahre zu Ende. Dem Konkurrenzdruck von Dampf- und Motorschiffen waren sie nicht mehr gewachsen. Der Betrieb  eines Frachtsegelschiffs war weniger planbar, brauchte mehr Besatzung und war unterm Strich teurer. Außerdem hatten Frachtsegelschiffe zu dem Zeitpunkt eine Größe erreicht,  die mit den damals zur Verfügung stehenden Materialien und Technologien ihr vorläufiges Maximum erreicht hatte und es bestand kein allgemeines Interesse mehr daran, diese  Art Schiffe weiter zu entwickeln. Die Größe, bzw. Tragfähigkeit von Motorschiffen ließ sich dagegen problemlos weiter steigern und passte damit ideal in die bis heute praktizierte, kapitalistische Marktwirtschaft, die ein ständiges Wachstum voraussetzt und den Profit an oberste Stelle stellt.¹

Ich versuche es erneut, weil die Zeit reif ist und die Umstände uns geradezu dazu zwingen! Wir alle wissen, dass wir nicht weiter wirtschaften und handeln können wie bisher. Umweltprobleme und Ressourcenmangel sind gerade heute bereits deutlich zu spüren, auch wenn sie vielleicht erst in einigen Jahrzenten völlig aus dem Ruder laufen und nicht mehr beherrsch- oder beeinflussbar sein werden. Mit dem Betrieb der AVONTUUR will ich meinen Teil dazu beitragen, notwendige Veränderung und ein Umdenken zu bewirken. Weil immer mehr Menschen diese Umstände erkennen, wächst auch das Interesse und der Wille, uns anderen Formen des Wirtschaftens und Zusammenlebens zuzuwenden, um  eine positive Veränderung herbeizuführen.

Zur AVONTUUR selbst, was ist sie für ein Schiff?

Die AVONTUUR ist ein klassisches, kleines Frachtsegelschiff aus der ausgehenden Blütezeit der Frachtsegelschifffahrt, gebaut 1920. Zu der Zeit hatte sich der Gaffelschoner als praktisches Arbeitsschiff durchgesetzt, da er anders als rahgetakelte Schiffe schnell, wendig und mit relativ kleiner Besatzung beherrschbar war. Sein typisches Fahrtgebiet waren daher Nord- und Ostsee, wie auch die amerikanische Ostküste oder die Inseln des Pazifiks.

Mit dem Segelschiff reist man wie in früheren Zeiten. Wer ist die Besatzung, die so eine besondere Art der Reise antritt?

Die gesamte Besatzung der AVONTUUR, sowohl die 5-6 Berufsseeleute, als auch unsere Shipmates², alle sind etwas Besonderes und haben die unterschiedlichsten Gründe, warum sie auf der AVONTUUR fahren. Der oder die Eine fährt mit, um sich zu orientieren, um etwas dazu zu lernen oder einfach um eine neue, einmalige oder erstmalige  Erfahrung zu machen. Auch um zu sich selbst zu finden. Es ist in jedem Fall etwas Besonderes, auf einem konventionell, um nicht zu sagen, traditionell betriebenen  Frachtsegelschiff den Arbeitsalltag kennen zu lernen und dabei den Atlantik zu überqueren.

So unterschiedlich Erfahrung, Alter, Geschlecht, Nationalität oder der gesamte  Hintergrund jedes Besatzungsmitglieds auch sein mögen, so ist ihnen doch eines gemeinsam: Alle unterstützen uns, unsere gemeinsamen Ziele und den Betrieb des Schiffes mit ihrem Einsatz und ihrer Überzeugung von ganzem Herzen!

Seit einigen Jahren transportiert die Avontuur unseren „Kaffee Ahoi“. Warum passen der nachhaltige Transport und der Faire Handel aus Deiner Sicht so gut zusammen?

Nachhaltiger Transport und fairer Handel gehören notwendigerweise zusammen und ergänzen sich. Fairer Handel kontert unfaire Behandlung; er setzt sich in Abgrenzung zum konventionellen Geschäftsgebaren, bei dem Gewinnmaximierung vor allem Anderen steht, für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards ein und baut langfristige und  nachhaltige Partnerschaften zu den ErzeugerInnen auf. Dabei ist der Seetransport, der die nachhaltig produzierten Waren nahezu ausschließlich zu uns bringt, meist ein blinder, gern ausgeblendeter Fleck. Denn gerade dort werden gleichermaßen die erforderlichen Umwelt- und Sozialstandards für optimierte Profite über Bord geworfen. Fairer Handel  muss die Lieferketten zwingend in den Blick und in ihr Handeln mit einbeziehen. Mit der AVONTUUR machen wir gemeinsam diesen blinden Fleck sichtbar und bilden das  notwendige, fehlende Bindeglied in einer wirklich nachhaltigen und fairen Handelskette.

Welche Zukunftspläne hast Du für den nachhaltigen Transport?

Wir haben große Pläne! Anfangs wollte ich die AVONTUUR in und um Australien sowie im Barrier Reef betreiben, um unter anderem die Zerstörung des Riffs durch Klimakrise,  Intensivlandwirtschaft und mangelndes politisches Interesse ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Die Ziele haben sich inzwischen erweitert und ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass ich mehr als nur einen Denkanstoß geben muss.

Obwohl das Interesse an nachhaltigem Transport in den letzten Jahren ständig gestiegen ist, haben die etablierten Reedereien bisher nicht darauf reagiert. Außer ein paar Feigenblatt-Veränderungen ist nach wie vor kein wirklicher Wandel zu sauberem Seetransport zu verzeichnen und keine Steigerung nachhaltiger Transportkapazitäten in Sicht.  Im Gegenteil, man versucht weiterhin ‚business as usual‘ zu betreiben und anstatt, dass wir durch die Entwicklung der letzten Jahre eventuell unseren Konsum reduzieren und damit den Bedarf an Seetransporten vermindert hätten, steigen die internationalen Transportmengen weiter und es scheint kein Ende in Sicht.

Um in nächster Zukunft eine Alternative zum herkömmlichen Seetransport zu bieten, haben wir zusammen mit unserem Schiffbau-Ingenieurbüro Marigraph einen Schiffstyp entwickelt, der mit einer Tragfähigkeit von ca. 1.100 Tonnen in unserem bisherigen Fahrtgebiet eingesetzt werden soll. Auf mittlere Sicht wollen wir eine Flotte von acht Schiffen zwischen 1.100 und 3.500 Tonnen Tragfähigkeit aufbauen, die unser bisheriges Fahrtgebiet im Liniendienst bedienen wird. Wir werden damit die notwendige Veränderung aktiv vorantreiben und planen das erste dieser durch Wind angetriebenen, modernen Frachtsegelschiffe – unterstützt durch einen alternativen Hilfsantrieb³ – bis spätestens Anfang  2025 zu realisieren, jährlich gefolgt von weiteren Neubauten, um die Flotte dem Bedarf anzupassen.

¹Auch dem Wachstum von Schiffen scheint bis heute keine Grenze gesetzt zu sein. Wir bauen und betreiben heute Containerschiffe mit 400 m Länge, die fast 24.000 TEU  transportieren können und das Ende des Wachstums ist noch nicht in Sicht! Um diesen Schiffen, genau wie ihren bis dahin permanent gewachsenen Vorgängern, überhaupt zu  ermöglichen, Häfen wie z.B. Hamburg anzulaufen, baggern wir unsere Flüsse ohne Rücksicht auf die Umwelt immer weiter aus und zerstören damit die Umwelt in einer bisher nie dagewesenen Größenordnung. Und das auf Kosten der Allgemeinheit.

² Shipmates sind MitseglerInnen unterschiedlichster beruflicher und persönlicher Herkunft und mit unterschiedlichster seglerischer Erfahrung, die sich ohne Vorkenntnisse als  Besatzungsmitglieder bewerben können und an Bord die nötige Ausbildung erhalten, um zusammen mit den Berufsseeleuten die AVONTUUR sicher zu beherrschen lernen.

³ E-Motor, Brennstoffzelle, Wasserstoff/Methanol, Rekuperation

Vielen Dank Cornelius Bockermann!