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Interview mit Gerd Nickoleit

Gerd Nickoleit FFH Ehrenvorsitzender

Gerd Nickoleit blickt auf ein lebhaftes Engagement für den Fairen Handel zurück. In einer Vielzahl von Positionen hat er den Fairen Handel in Deutschland entscheidend geprägt und vorangebracht. Die folgende Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, zeigt aber schon das vielfältige Engagement  des 78-Jährigen. Derzeit ist Gerd Nickoleit Ehrenvorsitzender beim Forum Fairer Handel und Ehrenmitglied bei der WFTO und arbeitet außerdem in  mehreren Arbeitsgremien des Fairen Handels mit. Außerdem ist er Buchautor, Mitbegründer der GEPA und war langjähriger Leiter der GEPA-Grundsatzabteilung.

Du gehörst zu den treibenden Kräften in der deutschen Geschichte des Fairen Handels. Warum ist dieses Thema ein so zentrales in Deinem Leben? Was war und ist Dein Motor?

Mein Motor sind mein Wissen und mein Gewissen. Ich weiß, dass mein privilegierter Lebensstil in Deutschland nur möglich ist, weil z.B. die Näherinnen in Bangladesch für einen Hungerlohn arbeiten müssen und weil die Natur ausgebeutet wird. Ich möchte weder zu Lasten der Zukunft meiner Enkel, noch der Menschen in den südlichen Ländern leben. Im fairen Handel gibt es zwischen den Handelspartnern im Norden und im Süden keine einseitige, sondern eine gegenseitige Abhängigkeit. Das bietet Risiken und Chancen für beide Seiten und ermöglicht im Gegensatz zu den Hilfsorganisationen eine Beziehung auf Augenhöhe. Die Handelspartner sind für mich keine Bittsteller. Sie bieten ein Produkt an, das einen Wert hat, den sie einfordern können.

Auch Du blickst zurück auf eine 50-jährige Geschichte mit dem Fairen Handel. Welche Visionen standen am Anfang und was ist aus ihnen geworden?

Wir hatten die Vision, dass wir durch praktische Beispiele und Bildungsarbeit Wirtschaft und Politik davon überzeugen können, dass ein gerechterer Handel mit den Ländern im Süden möglich ist und umgesetzt werden kann. Erst nach 50 Jahren engagierter Vorreiterrolle der Fairhandelsbewegung gibt es das Lieferkettengesetz, das die Ungerechtigkeiten im Handel zumindest anerkennt, aber nur ansatzweise regelt.

Was sind die größten Herausforderungen, vor denen der Faire Handel aktuell steht?

Ich sehe die Gefahr, dass Lobbyisten die kurzfristigen Interessen ihrer privaten Auftraggeber mit großer finanzieller Kraft und mit viel Geschick durchsetzen. Die Gruppe derer, die sich für Gemeinschafts- und Zukunftsinteressen einsetzen, haben diese Macht nicht.

50 Jahre weitergedacht, wo wünschst Du Dir, steht der Faire Handel dann?

Ich wünsche mir, dass der Slogan „Mensch und Natur vor Profit“ endgültig das rein gewinnorientierte Denken ablöst und die WFTO-Prinzipien selbstverständliche  Beurteilungsmaßstäbe für wirtschaftliches Handeln sind.

Vielen Dank Gerd Nickoleit!