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Interview mit Ina Lüdeke

Ina Luedeke

Ina Lüdeke aus dem Allerweltsladen in Hannover ist bereits seit 40 Jahren im Fairen Handel aktiv. Außerdem engagiert sie sich in der Arbeit mit  Geflüchteten, denn solange die Welt kein gerechter Ort ist, fliehen Menschen aus ihrer Heimat, um woanders bessere Lebensbedingungen zu suchen.

Du engagierst Dich aktiv im Weltladen. Das heißt ja auch, Du sitzt direkt an der Quelle. Welche fair gehandelten Produkte stehen bei Dir Zuhause? Was darf nie fehlen?

Ich bin seit 40 Jahren dabei. Daher habe ich natürlich viele Dinge gekauft im Laufe der Jahre, sowohl für mich selbst, als auch als Geschenk für andere. Taschen, Schals, Handschuhe, Schmuck, Handtücher. In den letzten Jahren kaufe ich hauptsächlich Bekleidung, also T-Shirts, Strickjacken, Pullover, Kleider, da gibt es inzwischen ein sehr  schönes Sortiment. Besonders gefreut habe ich mich, dass es jetzt endlich faire Bettwäsche gibt und habe auch gleich welche gekauft. Jetzt fehlen nur noch Bettlaken. Regelmäßig  kaufe ich Gewürze, Reis, Kokosmilch, Saft und Wein. Zu Feiertagen und Geburtstagen in der Verwandtschaft verschenke ich immer Zotterschokolade und an die Kinder Oster- oder Weihnachtsüßigkeiten. Wenn ich im Laden arbeite, bin ich von leckeren Sachen umzingelt und nasche dann gern, meistens Nüsse, gelegentlich Fruchtgummis oder Kekse. An Schokolade liegt mir glücklicherweise nichts.

Es gibt viele Bereiche, in denen man sich engagieren kann, im Tierheim, in der Feuerwehr. Warum gerade der Faire Handel?

Ich bin 1982 zum Studieren nach Hannover gekommen. Ich war politisch interessiert und schon als Schülerin in Mülheim bei Amnesty International und in der Friedensbewegung aktiv. Das war damals mein Hauptinteresse. Als ich nach Hannover kam, suchte ich eigentlich eine gewaltfreie Aktionsgruppe, wo ich aktiv werden wollte. Ich bin dann zufällig  über den Allerweltsladen gestolpert und habe dort nach einer Adresse einer gewaltfreien Aktionsgruppe gefragt. Die hatten keine Adresse, konnten mich aber brauchen und haben mich sozusagen gleich dabehalten. Das passte auch, denn mein großes Ziel war ja eigentlich, die Welt zu verbessern und mehr Gerechtigkeit herzustellen. Bei allen  Verbesserungen, die wir im Kleinen erreicht haben, ist Fairer Handel natürlich ein großes Wort. Wenn wir unseren Lebensstil mit dem der Produzent*innen vergleichen, die vom Fairen Handel profitieren, sind wir von Gerechtigkeit meilenweit entfernt. Von den Menschen, die unter schlimmsten Bedingungen arbeiten müssen, ganz zu schweigen. Ich habe gelernt, das auszuhalten und die kleinen Verbesserungen für Tausende von Menschen, die vom Fairen Handel profitieren, trotzdem nicht gering zu schätzen, zumal ich keine Idee habe, wie wir mehr erreichen könnten. (Tiefgreifende politische Veränderungen wären natürlich super, aber da fehlt mir der Optimismus.)

Ich war weiterhin auch in Hannover bei Amnesty International aktiv. Dort bin ich nach einigen Jahren in die Amnesty Asylgruppe gewechselt. Nach einigen weiteren Jahren haben wir mit dem Großteil der damaligen  Gruppe einen eigenen Verein gegründet, den Asyl e. V. Hannover, in dem ich ebenfalls heute noch aktiv bin. Flüchtlingsarbeit ist für mich ganz wichtig, weil ich denke, solange die Welt nicht gerecht ist, ist es legitim, dass Menschen in andere Länder kommen, wo sie hoffen, bessere Lebensbedingungen für sich und ihre Kinder vorzufinden, egal aus welchen
Gründen.

Kannst Du Dich an Deinen ersten Besuch in einem Weltladen erinnern? Wann und wo war das? Und was hat sich seitdem verändert?

Der erste Weltladen, den ich kennen gelernt habe, war in Mülheim an der Ruhr, wo ich damals wohnte. Das war ein ganz kleiner Laden in einer abgelegenen Seitenstraße, den ich  durch meinen damaligen Freund kennen gelernt habe, der dort aktiv war. Der erste Allerweltsladen in Hannover war auch ganz klein und nicht sehr zentral gelegen. Nach  mehreren Umzügen sind wir seit 2003 in der Fußgängerzone im Stadtteil Linden-Nord. Das ist eine schöne Lage, der Laden ist so mittelgroß. Mülheim an der Ruhr hat inzwischen auch einen schönen Laden in einer zentralen Lage mitten in der Innenstadt.

Was sich noch verändert hat: Wir waren 1982 ein Gruppe, die überwiegend aus Student*innen  bestand, im Alter zwischen 19 Jahren und Mitte 20, darüber hinaus ein paar Lehrer*innen der IGS Linden. Der Verein und der Laden waren von einer Gruppe von Schüler*innen und Lehrer*innen der IGS Linden gegründet worden, die Schüler*innen waren inzwischen Student*innen. Dann sind wir sozusagen mit dem Laden mitgealtert. Unsere Gruppe besteht heute überwiegend aus Menschen zwischen 50 und bald 80 Jahren, einige wenige Jüngere sind dabei. Aber keine Schüler*innen und Student*innen mehr. Wir sind seit  2003, dem Umzug in den jetzigen Laden, nicht mehr rein ehrenamtlich tätig, sondern arbeiten mit Freiwilligen und einer bezahlten Teilzeitstelle, die ich innehabe. Wir haben  immer noch eine politische Motivation. Das hat sich nicht verändert.

Habt Ihr bestimmte Visionen und Ziele? Was wünscht Du Dir, wie soll der Allerweltsladen in Hannover im Jahre 2072 aussehen?

Es wäre schön, wenn es 2072 keine Weltläden mehr geben müsste, weil weltweit die Produktion und der Handel fair wären und überall gute Arbeitsbedingungen der Normalfall  sind. Wir könnten dann vielleicht einfach einen Laden haben, der schönes Kunsthandwerk, schöne Textilien und leckere Lebensmittel anbietet. Bis dahin wäre ein größerer Laden  schön und eine größere Belegschaft, in der zusätzlich auch ein paar jüngere Leute wären, damit wir die zusätzliche Arbeit auch stemmen können und die Kontinuität gewahrt  bleibt.

Zudem wäre aus meiner Sicht noch mehr Professionalisierung gut, wenn wir mehr Arbeit auch im Laden bezahlen könnten. El Puente hat meiner Meinung nach mit dem neuen Preismodell, dass höhere Verkaufspreise und für die Läden größere Rabattspannen ermöglicht, einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Das ist wichtig, damit wir auch  dahin kommen können, mehr Arbeit zu bezahlen. Viele der Fairhandels-Importorganisationen bewegen sich in dieser Richtung bisher gar nicht oder zu wenig.

Vielen Dank Ina Lüdeke!