Interview mit Jorge Inostroza

Jorge Inostroza ist Abteilungsleiter für Weltläden & Gruppen sowie Fairkauf-Leiter bei der GEPA. Der gebürtige Chilene ist vermutlich auch deswegen so erfolgreich, weil er weiß, dass es keine Marketing-Tricks braucht, um faire Produkte zu verkaufen. Die Kund*innen wissen, dass sie mit dem Kauf fairer Produkte, die Welt jedes Mal ein bisschen besser machen.
Die GEPA hat eine ähnlich lange Geschichte wie El Puente. An welche Erlebnisse erinnerst Du Dich am liebsten und am lebhaftesten?
Als ich als Flüchtling nach Hannover gekommen bin, habe ich irgendwann Flugblätter von El Puente in die Hand bekommen. Mich hat es damals sehr gefreut, ein Unternehmen kennenzulernen, das sich für Gerechtigkeit in Lateinamerika einsetzte, und den Namen auf Spanisch fand ich schön. Am lebhaftesten ist mir das Erlebnis in Erinnerung, als die Weltläden bei einer Versammlung die Professionalisierung als den Weg der Zukunft erkannt haben, das motiviert mich bis heute.
Und eine Reise mit den Leitungen der damaligen RFZ nach Bolivien und Chile, diese Eindrücke und Erlebnisse prägen mich bis heute. Die Wirkung unseres Handel(n)s bei den Handelspartner*innen sind eine tägliche Motivation, und ich meine die Arbeit von Weltläden, Weltgruppen, El Puente, Weltpartner, Globo, Fairband, GEPA und vielen anderen
Organisationen.
Als langjähriger Vertriebsleiter arbeitest Du hauptamtlich bei der GEPA. Doch wie bei den meisten Menschen, die im Fairen Handel tätig sind, ist der Lohnerwerb nicht der einzige Antrieb. Was ist Dein wichtigster Motor?
Ich bin in Chile geboren, in meiner Kindheit sah ich starke Armut, fehlende Perspektiven für so viele Jugendliche; ich hatte beispielsweise Schulkameraden, die barfuß zur Schule kamen, in deren Häusern im Winter der Fußboden sich zu Schlamm verwandelte. Ich erlebte auch eine Militärdiktatur und die politische Verfolgung Andersdenkender. Gleichzeitig gab es den unermesslichen Reichtum von einigen Wenigen, die fehlende Achtung dieser gegenüber den Armen,die ungleiche Verteilung des Reichtums eines Landes. Das alles motivierte mich, mich in meinem Leben für eine wirtschaftliche Veränderung zum Besseren für die Chancenlosen einzusetzen. Und der Faire Handel ist eine Alternative, wenn er wirklich auch zu einem Bewusstsein und zu struktureller Veränderung in der Gesellschaft führt. Wir brauchen eine Veränderung der wirtschaftlichen Strukturen und das motiviert mich auch.
In verschiedenen Arbeitsgruppen und Netzwerken arbeiten GEPA, El Puente und andere Akteure eng zusammen. Ist es eine der wichtigsten Stärken des Fairen Handels, dass alle gemeinsam für dieselbe Sache eintreten?
Die Zusammenarbeit und der Austausch, den wir erreicht haben, ist ein großer Erfolg von uns allen. Das war nicht immer so. Die Zusammenarbeit mit unseren unterschiedlichen Prägungen macht uns stark. Wir sind eine Familie mit unterschiedlichen Familienmitgliedern. Wir sollten lernen, mit unseren Unterschieden zusammenzuarbeiten und uns gleichzeitig gegen die verbünden, die die Ausbeutung der Menschen als Grundlage für wirtschaftliche Strukturen vertreten.
Hältst Du es für realistisch, dass der Faire Handel sich einmal selbst abschafft und zur neuen Normalität wird? Oder ist das eher eine Utopie?
Ich würde mich sehr freuen, wenn der Faire Handel zu einer Normalität würde. Ich bin aber auch überzeugt, dass der Faire Handel in den nächsten 200 Jahren nicht die Normalität werden wird – leider! Gerade deshalb setze ich mich dafür ein, dass der Faire Handel weiterhin wächst mit dem Ziel, dass wir mehr Endverbraucher* innen in Deutschland überzeugen, ihr konkretes Einkaufsverhalten zu ändern, also Kriterien wie faire und biologische Erzeugung zu berücksichtigen.
Damit sich bewusstes Einkaufsverhalten zu einer neuen Normalität entwickeln kann, ist für mich politische Arbeit sehr wichtig. Dazu sollten wir uns mit anderen Multiplikatoren der Zivilgesellschaft zusammenschließen wie Gewerkschaften, Kirchen oder den Vertreter*innen der „Fridays for Future“-Bewegung.
Aus meiner Sicht überzeugen und motivieren wir Verbraucher*innen, unsere Produkte zu kaufen. Das ist eben kein Marketingtrick. Denn sie glauben daran, dass sie in kleinen Schritten zu einer besseren Welt beitragen.
Zuletzt: Dein Lieblingsprodukt von El Puente?
Eine klare Antwort: Die chilenischen Weine von El Puente haben, wie vieles aus Chile, starke Charaktere, sind hochwertig, voller Überraschungen und reich an Geschmacksnuancen. Und an einem schönen Abend mit Freund*innen bei einem leckeren chilenischen Essen schlagen die chilenischen Weine von El Puente eine Brücke zu den chilenischen Weinen von GEPA, und es entsteht eine wunderschöne Atmosphäre.
Ich danke euch, El Puente, für euren 50-jährigen Einsatz für Gerechtigkeit auf dieser Welt.
Vielen Dank Jorge Inostroza!