Interview mit Kurt Warmbein

Kurt Warmbein und El Puente haben eine lange gemeinsame Geschichte. Er hat im Weltladen mitgearbeitet, ist Mitglied des Vereins und aktuell Vorsitzender der El Puente Stiftung und im Aufsichtsrat der GmbH vertreten.
Kurt, wie bist Du zum Fairen Handel gekommen?
Im Grunde schon in meiner Jugendzeit. In meinem Heimatdorf gab es eine aktive Kirchengemeinde, die sich mit dem fernen Nächsten auseinandergesetzt hat. Als ich beruflich nach Hildesheim kam, habe ich überlegt, wie ich das Engagement fortsetzen kann. Irgendwann habe ich mehr oder weniger zufällig den Weltladen gefunden und gesagt: Hier bin ich und ich möchte gern mitmachen. So habe ich im Weltladen mitgearbeitet und habe später weitere Sachen gemacht. Und wie das bei El Puente so ist, wenn man den kleinen Finger zeigt, da muss man aufpassen, dass man die Hand behält.
Wenn du jemanden triffst, der noch nie von der El Puente Stiftung gehört hat, wie erklärst du ihm Eure Arbeit?
Wie fast alle Stiftungen sind wir klein und fein. Wir haben wenig Personal und das ist auch gut so. Die Stiftung ist aus einer Überlegung heraus gegründet worden: Zunächst war die Hoffnung da, dass die Arbeit von Weltladen und Verein sich irgendwann selbst überholt, dass der Faire Handel allgemeingültig ist und zur Selbstverständlichkeit wird. Wir mussten aber schnell feststellen, dass es sich noch lange hinziehen wird. Wir müssen weiterhin Lobby für die Produzenten im Süden sein und uns dabei schlanker aufstellen. Darum haben wir die Stiftung gegründet. 20 bis 30 Personen waren bei der Gründung dabei und die Stiftung ist weiter gewachsen. Sie ist in der Lage, Gelder für Projekte der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit für den Fairen Handel aber auch für Völkerverständigung zur Verfügung zu stellen. Als jüngstes Kind der El Puente Gruppe und haben wir gleichzeitig die längste Perspektive, denn so eine Stiftung ist auf ewig angelegt. Das war auch auch unsere damalige Überlegung: Wahrscheinlich müssen wir sehr lange an diesem Projekt arbeiten, um stets Lobby für die Produzenten und Partner im Süden zu sein.
Die Projekte, die Ihr fördert, sind sehr unterschiedlich. Hast du ein Beispiel?
Ein Beispiel ist das Adivasi-Tee-Projekt: Eine Gruppe von Schülern ist im Zuge des Projekts eine Partnerschaft mit Ureinwohnern in Indien eingegangen. Sie verkaufen Produkte der Adivasi und sind in regem Austausch mit ihnen. Jedes Jahr kommen Menschen aus dem Projekt für eine Bildungsreise nach Deutschland. Diese Reisen zum Beispiel und Seminare, die an den Schulen durchgeführt werden, unterstützen wir von der El Puente Stiftung. Ein besonders toller Erfolg für die Partner war, als die Adivasi mit Unterstützung aus Deutschland eine Teeplantage zurückkaufen konnten, die ihnen widerrechtlich weggenommen wurde. Hier konnten wir – wegen unserer Beschränkungen – leider nicht helfen.
Vor einigen Jahren haben wir zudem ein Projekt unterstützt, das ich auch wunderbar finde. Eine Bildungssekretärin hatte sich auf die Fahnen geschrieben, etwas über den Kakaoanbau in Afrika in den Grundschulen zu erzählen. Sie ist zu den Grundschulen gefahren und hat Kinder unterrichtet und ihnen erklärt, wie der klassische Kakaoanbau und der im Fairen Handel funktioniert. Das war für die Schüler immer wieder ein großes Erlebnis, zu sehen, dass es zwei Arten von Handel gibt und dass man mit dem Fairen Handel auch direkt etwas erreichen kann.
Austausch ist ja auch ein ganz wichtiger Punkt, um Verständnis zu schaffen. Warst du mal auf Reisen im El Puente Kontext?
Ja, ich habe einmal einen Handelspartner in Guatemala besucht. Das war sehr interessant zu sehen, allein wie mühevoll die Produkte hergestellt und mit wie viel Aufwand sie zu uns gebracht werden. Ich konnte auch sehen, wie wichtig es ist, dass wir mehr zahlen als landesüblich. In Guatemala wurde zum Beispiel der Gewerkschaftssekretär auf diese Weise entlohnt. Er hat dafür gesorgt, dass die Produzenten erkannten, wie wertvoll sie in der Produktionskette sind und dass auch sie Forderungen stellen können.
In meiner beruflichen Zeit habe ich eine Schulpartnerschaft mit Tansania initiiert und lange Zeit begleitet. Wir sind auch nach Tansania gefahren und haben die Schule kennengelernt. Vor Ort habe ich immer gesehen, wie wichtig doch der Faire Handel ist, um den Produzenten und deren Familien eine Perspektive zu geben. Denn mit diesem Geld, können sie zum Beispiel ihre Kinder auf die Schule schicken und ihnen eine Perspektive bieten. Man sieht in vielen Ländern, zum Beispiel in Ghana beim Kakaoanbau, dass dort Kinder schwer arbeiten müssen. Das ist unglaublich bitter. Ich habe in Tansania erlebt, welchen hohen Stellenwert Schulbildung hat. Hier bei uns ist das nicht mehr so im Fokus, aber dort ist allen Schülern klar, dass Schulbildung ein wertvolles Gut ist und alle bemühen sich darum und lernen unglaublich fleißig und intensiv. Wenn Eltern in der Lage sind, ihre Kinder auf die Schule zu schicken, dann sind sowohl die Eltern als auch die Schüler unglaublich stolz darauf.
Auf der anderen Seite sind oft auch Handelspartner hier in Deutschland zu Besuch. Ist Dir da etwas besonders in Erinnerung geblieben?
Hier muss ich gestehen: Da ich diese Schulpartnerschaft mit Tansania gepflegt habe, ist mir natürlich dahingehend besonders viel in Erinnerung geblieben. Wir haben Schülergruppen aus Tansania eingeladen. Unsere Schüler hier in Deutschland haben sich schnell mit den tansanischen Schülern angefreundet. Es war für alle ein unglaubliches Erlebnis. Wenn wir über Afrika nachdenken, haben wir oft das Gefühl eines Höhenunterschieds. Aber das ist natürlich nicht so, das muss nicht sein, das soll nicht sein. Bei diesem Besuch haben unsere Schüler bemerkt, dass die afrikanischen Kinder, die gleichen Wünsche haben. Auch sie wollen YouTube Videos sehen und haben ähnliche Interessen. Genauso erging es den afrikanischen Schülern. Das war ein Kulturaustausch auf Augenhöhe, wir haben voneinander gelernt und das halte ich für sehr wichtig. Wir Europäer dürfen nicht denken, wir müssen die Welt erklären. Das ist nicht so. Die anderen Menschen wissen schon selbst, wie die Welt aussieht.
Inwiefern hat die Corona-Pandemie die Arbeit der Stiftung beeinflusst?
Die Corona-Pandemie hat die Arbeit der Stiftung sehr stark beeinflusst. Denn bislang haben wir Projekte gefördert, die offline stattfanden. Die virtuellen Tagungen sind weniger intensiv. Sie sind, wenn es um technische Fragen geht, ein wunderbares Medium. Wenn man sich auf Kultur, Empfindungen und Emotionen einlassen will, dann ist das nichts. So
haben viele Gruppen ihre Anträge zurückgezogen. Das hat natürlich zwei Seiten, denn auf diese Weise haben wir Gelder zurücklegen können, sodass wir nun bei der 50-Jahr-Feier großzügiger damit umgehen und verschiedene Projekte verwirklichen können.
50 Jahre weitergedacht: Was glaubst du, wie sieht der Faire Handel dann aus?
Ich glaube, dass der Faire Handel viel stärker online stattfinden wird. Die Weltläden werden weiterhin da sein und immer noch Träger der Idee des Fairen Handels sein. Ihre Aufgabe wird es weiterhin sein, auch Informationen und Bildung zu transportieren. Das wird über die Waren aber auch über andere Medien stattfinden. Das machen wir ja heute schon zum Beispiel über Social Media. Aus meiner Sicht wird sich da noch mehr bewegen. Gleichzeitig fürchte ich, dass der gesamte Welthandel immer noch nicht fair sein wird, dass wir immer noch Lobby für die Partner im Süden sein müssen.
Du engagierst Dich ehrenamtlich sehr viel und investierst Deine Zeit, um den Fairen Handel voranzutreiben. Was motiviert Dich dabei am meisten?
In der Arbeit für den Fairen Handel kann ich etwas tun, was ich sozusagen aus meinem christlichen Selbstverständnis heraus tun möchte. Ich kann etwas, das ich hier in meinem Leben als Gut empfinde, weitergeben und damit meinem fernen Nächsten helfen. Es ist schon ein christliches Tun, ohne dass ich das zu stark in den Vordergrund stellen möchte.
Vielen Dank Kurt Warmbein!