Interview mit Lisa Jaspers

Lisa Jaspers hat das Fair Fashion Unternehmen Folkdays gegründet. Sie ist nicht allein Unternehmerin, sondern auch Aktivistin. So hat die Berlinerin zum Beispiel die Petition Fairbylaw initiiert, mit der sie die deutsche Regierung dazu aufforderte, ein Gesetz zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten zu verabschieden. Folkdays und El Puente sind durch eine gemeinsame Kooperation eng verbunden.
2013 hast Du das Fair Fashion-Unternehmen Folkdays gegründet. Gab es für Dich einen bestimmten Anlass?
Kurz vor dem Einsturz von Rana Plaza habe ich entschieden Folkdays zu gründen. Zu der Zeit habe ich bereits an einem Business-Plan geschrieben. Auch wenn dieses schreckliche Ereignis nicht der Grund für die Gründung war, hat es mich doch sehr stark darin beeinflusst, wie ich über das Businessmodell und auch den Impact nachgedacht habe. Der Hauptanlass für die Gründung von Folkdays war jedoch, dass ich 30 geworden bin. Zu dieser Zeit habe ich mich gefragt, ob ich eigentlich das tue, was mich in meinem Leben erfüllt. Die Antwort war nein. Ich habe lange darüber nachgedacht, was mich erfüllen könnte und bin über unterschiedliche Wege auf die Idee für Folkdays gekommen. Dann habe ich relativ bald meinen Job gekündigt und Folkdays gestartet.
Als Gründerin und Geschäftsführerin, wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
Es gibt eine Komponente, die jeden Alltag bei mir bestimmt und das ist das Thema Kultur. Ich fühle mich bei Folkdays verantwortlich dafür, dass es allen gut geht. Dass die Stimmung gut ist und dass alle das Gefühl haben, ihnen wird der Rücken frei gehalten. Bei mir gibt es immer die Regel: Alle dürfen alles entscheiden. Wenn aber jemand etwas nicht entscheiden will, können sie mich immer fragen und meinen Rat suchen. Grundsätzlich finde ich es aber schöner, wenn es möglichst viel Freiheit und Unabhängigkeit gibt. Außerdem bin ich in unterschiedliche Projekte immer mal stärker eingebunden. Bei Folkdays x El Puente zum Beispiel, ansonsten auch oft im Bereich Marketing und PR. Häufig bin ich auch diejenige, die Kollaborationen anstößt und viel Außenrepräsentation übernimmt, wie Interviews und die Teilnahme an Panels. Das mache ich oft – und mittlerweile ziemlich gerne.
Du siehst Dich nicht allein als Unternehmerin, sondern gleichzeitig als Aktivistin. Ist Deiner Meinung nach Mode auch immer politisch?
Ich glaube, Mode kann sehr politisch sein. Konsum generell ist sehr politisch. Indem wir nicht über Nachhaltigkeit nachdenken, entscheiden wir uns indirekt für eine Welt, die über die planetaren Grenzen geht und in der wir nicht nur Menschen sondern auch Ressourcen ausbeuten. Von daher ist Mode für mich ein starkes politisches Vehikel, was wir bei Folkdays versuchen stark zu nutzen. Ich glaube schon, dass die Menschen, die bei uns kaufen, ein sehr klares politisches Statement abgeben, in was für einer Welt sie eigentlich leben wollen. Neulich habe ich den Satz auf einem Kaffee gelesen: Mit jedem Kauf, entscheidest Du mit, in welcher Welt Du leben möchtest. Das fand ich sehr schön und auch passend für unsere Produkte von Folkdays.
Wagen wir einen Blick in die Glaskugel. Was denkst Du, wie könntet der Faire Handel der Zukunft aussehen?
Aus meiner Perspektive braucht es im Bereich des Fairen Handels mehr Bewegung. Darum haben wir auch gemeinsam Folkdays x El Puente gestartet. Der aktuelle Faire Handel richtet sich eher an einer älteren Zielgruppe aus und das ist auch total fein und hat lange Zeit gut funktioniert. Aber um mit viel Selbstbewusstsein in die Zukunft zu gehen, ist es wichtig, auch junge Menschen, die vielleicht ganz anders konsumieren wollen, abzuholen. Das war von Anfang an das Ziel von Folkdays und ist jetzt auch das Ziel von unserer gemeinsamen Kooperation. Von daher glaube ich, sich auf neue Zielgruppen zu erweitern ist sehr wichtig. Eine zweite Komponente, über die ich in letzter Zeit viel nachgedacht habe, ist, dass wir versuchen müssen, sehr inklusiv zu sein. Wir müssen stark darauf achten, auch die Menschen, die in unseren Wertschöpfungsketten involviert sind, zu Wort kommen zu lassen und ihnen auch in Machtpositionen zu verhelfen. Aus meiner Sicht finde ich den Fairen Handel in Deutschland noch sehr weiß und sehr privilegiert. Es geht darum, den Horizont zu erweitern und zu überlegen, wie lässt sich das ändern. Im Grunde hat Corona uns ja gezeigt, was möglich ist. Mein Mann hat zum Beispiel mehrere Angestellte, die in Indien leben. Sie haben vor Ort eine Festanstellung über die Firma. Solche Konstrukte finde ich sehr spannend. Denn es ist mittlerweile möglich, dass Menschen aus dem globalen Norden, Menschen aus dem Globalen Süden anstellen. Entwicklungen in diese Richtung fände ich sehr spannend, so dass nicht immer der Globale Norden den Diskurs bestimmt. Außerdem gibt aus dem Globalen Süden auch tolle Sozialunternehmer*innen, die visionäre Vorstellungen entwickeln. Diese stärker an Bord zu holen und in der Weitergestaltung mit einzubeziehen, fände ich schön.
Folkdays und El Puente haben eine gemeinsame Kooperation. Warum sind Deiner Meinung nach Netzwerke so wichtig?
Ich glaube, es gibt immer krasse Berührungsängste zwischen Unternehmen. Generell und auch im nachhaltigen Bereich. Als wir Folkdays gegründet haben, war von Anfang an klar, unsere Konkurrenz wird nie ein nachhaltiges Unternehmen sein. Als unsere Konkurrenz betrachtet wir nur Unternehmen, die nicht nachhaltig agieren. Das hat uns von Anfang an stark in allem bestimmt. Als ich auf Martin* getroffen bin, hatte ich das Gefühl, dass es auch bei ihm und Euch als Unternehmen eine ähnliche Motivation gibt. In unserem Fall finde ich die Kollaboration besonders schön, weil wir der kleine, agile, digitale Satellit in Berlin sind und ihr der Pionier im Fair Trade Bereich, der seit 50 Jahren Fairen Handel betreibt. Ihr seid einfach die absoluten Experten wie man nachhaltige und langfristige Lieferketten aufbauen kann. Ich finde es super schön, dass sich unsere
Expertisen so gut ergänzen.
Durch die gemeinsame Zusammenarbeit kennst Du El Puente sehr gut. Wie würdest Du uns als Unternehmen in drei Worten beschreiben?
Authentisch. Integer. Bodenständig. Und Verlässlich. Aber dann sind es vier. (lacht)
*Martin Moritz, ehemaliger Geschäftsführer von El Puente
Vielen Dank Lisa Jaspers!