Interview mit Manfred Winkler

Manfred Winkler kennt El Puente seit der ersten Stunde. Denn auch er hat zur gleichen Zeit sein Unternehmen Globo gegründet. Seitdem treten die Fairhandels-Organisationen für dieselbe Sache ein: Die Welt ein Stückchen fairer zu gestalten.
Ebenso wie El Puente blickt auch Globo auf eine lange Geschichte zurück. Wie kam es dazu, dass Du Globo 1973 gegründet hast?
Das war ursprünglich eine im Studium geborene Idee. Es ging schon damals um das, was wir später gerechten Handel nannten und heute als Fairen Handel bezeichnen. Wir haben an der Uni über Ausbeutung diskutiert. Aber in Wirklichkeit erlebten oder sahen wir sie nicht. Auf einer Reise nach Südamerika bekam ich mit, wie ein Zwischenhändler die webenden Frauen despektierlich behandelte und finanziell ausgebeutet hat. So kam es zu der Idee, die am Anfang eine politische war. Durch die Fakten, die ich auf der Reise bekam, wurde sie mit der Wirklichkeit unterfüttert.
In den letzten knapp 50 Jahren hast Du eine Menge erlebt. An welche Ereignisse erinnerst Du Dich am liebsten und am lebhaftesten?
Ich möchte sagen, wenn ich irgendwo hinkam, wo Leute produzierten. Das heißt, wenn sie bei der Arbeit saßen und ihre Dinge herstellten, die dann an uns, Euch oder andere verkauft wurden. Zwei Szenen sind mir besonders lebhaft in Erinnerung: Das eine ist ein mexikanisches Ehepaar, das in einem Garten saß und Webarbeiten herstellte, sogenannte Fachas auf Spanisch. Das sind Webstreifen, die man als Stirnband, Armband oder als Tragegurt für Taschen benutzen kann. Diese Szene ist mir immer in Erinnerung und ich nenne sie „Anmut bei der Arbeit“. Das heißt, das Ehepaar hat dort in so einer Ruhe gesessen, wie sie uns in Europa längst verloren gegangen ist. Das andere ist eine Szene aus Peru. Ich kam am Vormittag in ein Dorf, um bemalte Kürbisse zu kaufen. Da saß eine Gruppe von Eltern, deren Kinder am Morgen schon zum Schulbus gebracht worden waren. Nun saßen diese Leute zusammen und produzierten. Das war ein so friedliches und produktives Bild, das sich mir das auch eingeprägt hat.
Als Geschäftsführer ist die Arbeit für Globo Dein Lohnerwerb. Doch wie bei den meisten Menschen, die im Fairen Handel tätig sind, ist der Lohnerwerb nicht der einzige Antrieb. Was ist Dein wichtigster Motor?
Im Fairen Handel fließt die Arbeit der Menschen direkt per Lohn bzw. per Bezahlung der Produkte in ihr Leben ein. Es ist also kein Zwischenhandel da, es ist kein Arbeitgeber, der sagt, Du bekommst jetzt 7,9,11 oder 20 Euro. Die Personen produzieren ihre Dinge und verkaufen direkt an uns oder Euch. Dann ist es ein Handel von Gleich zu Gleich. Dieser Handel auf Augenhöhe, das ist das, was mich bei der Arbeit hält. Und ich hoffe, dass wir das auch der nächsten Generation weitergeben können. Ich bin Jahrgang 46 und habe noch viel Lust zu arbeiten. Aber unsere jüngere Tochter ist jetzt im Betrieb und wird sozusagen auf die Geschäftsführung vorbereitet. Und dieser jüngeren Generation möchte ich die Ideen so vermitteln, dass sie auch noch für sie attraktiv sind.
Ein Blick in die Glaskugel: Wie könnte der Faire Handel 2072 aussehen?
Wunsch und Wirklichkeit klaffen da möglicherweise sehr weit auseinander. Durch die aktuellen Ereignisse, also Pandemie und Ukraine-Konflikt ist vieles ins Wanken geraten, was wir uns bisher einigermaßen, wenn auch auf wackligen Stelzen, für die Zukunft vorstellen konnten. Wenn wir uns die Produktionsmächte wie China, Indien usw. vorstellen, dann ist es schwierig, optimistisch für den Fairen Handel zu sein. Zwar kaufen wir, wie auch Ihr, in Indien ein, aber wer vor Ort war, sieht, das sind noch ganz andere Welten. Wenn wir dort von gerechter Entlohnung oder Bezahlung sprechen, dann ist das nur ein Bruchteil dessen, was jemand in Europa verdienen würde. Wenn wir 50 Jahre vorausdenken, wäre das Ideal natürlich, dass ungefähr gleiche Verhältnisse auf der ganzen Welt herrschen. Problem wird sein, wenn auch beispielsweise in Indien 15 oder 20 Euro die Stunde gezahlt würde, dann würde es für uns Europäer sehr teuer, solche handgefertigten Produkte oder Lebensmittel zu kaufen. Da sehe ich einen Zielkonflikt in der Zukunft und daran müssen wir arbeiten. Ich habe noch keine Lösung.
Viele Jahre lang arbeiten Globo und El Puente Seite an Seite. Kannst Du El Puente in drei Worten beschreiben?
Da muss ich etwas weiter ausholen: Gleich auf unserer ersten Veranstaltung im Dezember 1973 habe ich El Puente in Form von Richard Bruns kennengelernt. Er kam zu uns nach Hannover auf unseren damaligen Südamerika-Basar. Insofern kennen wir uns schon von der ersten Stunde an: El Puente ist also ein ständiger Begleiter.
Vielen Dank Manfred Winkler!