Interview mit Philippe Adaime

Philippe Adaime ist einer der Geschäftsführer von Fair Trade Lebanon. Das Fairhandels-Unternehmen ist ein langjähriger Partner von El Puente, von dem wir unter anderem Linsen, Hummus und auch Kichererbsen erhalten. Die schwierige Situation des Landes erschwert der Fairhandels-Organisation oft ihre Arbeit, die sich jedoch mit viel Tatkraft und Engagement allen Widrigkeiten entgegenstellt.
Bitte beschreibe die Arbeit von Fair Trade Lebanon in einigen Sätzen.
Fair Trade Lebanon (FTL) wurde 2006 gegründete und ist eine lokale, libanesische Agrar-Food- und Wirtschaftsentwicklungs-NGO. Unsere Mission ist es, Kleinproduzent*innen und Lebensmittel-Kooperativen im ganzen Libanon bei der Geschäftsentwicklung zu unterstützen, Zugang zu Märkten und Exportmöglichkeiten zu bieten. Wir fördern ihr Wachstum, um damit ihre Lebensgrundlage zu verbessern. Wir unterstützen sie darin, die Anforderungen der heutigen Verbraucher*innen zu erfüllen. Außerdem helfen wir dabei, Fair Trade-Standards umzusetzen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Förderug von Frauen. Wir sind heute eine der Hauptsäulen des Agrar- und Ernährungssektors im Libanon. Wir haben uns als Katalysatoren für innovative Ideen in der fairen Landwirtschaft erwiesen und neue Möglichkeiten für Kleinbäuer*innen geschaffen, um in ihrem Land bleiben zu können. Unsere Advocacy- und Lobbying-Aktivitäten, sei es bei Regierungsbehörden, Schulen oder Universitäten, schärfen das Bewusstsein für fairen Handel und gewährleisten einen kontinuierlichen und direkten Dialog mit allen Gruppen, die in den Agrar- und Lebensmittelsektor involviert sind.
Kannst Du uns mehr über die Kleinbäuer*innen und Produzent*innen erzählen, mit denen ihr zusammenarbeitet? Wie ist ihr Alltag, ihre Träume und Sorgen?
Heute durchlebt der Libanon eine schwere, anhaltende Wirtschaftskrise, die die Menschen dazu zwingt, das Land auf der Suche nach einer besseren Zukunft zu verlassen. Wüstenbildung, Landflucht, Armut und vor allem Verzweiflung nehmen rasant zu. Die Landwirte, die FTL seit mehr als 15 Jahren unterstützt, schwimmen gegen den Strom und kämpfen immer noch hart dafür, ihre angestammten Fähigkeiten, ihre Geschichte, zu bewahren und zu fördern. Mehr als 30 Genossenschaften, die über den ganzen Libanon verstreut sind, sind voller Eifer, ihr Land wiederzubeleben und in ihren Dörfern verwurzelt zu bleiben. Sie beschlossen, ihre Familien, ihre Ackerflächen und vor allem ihr geliebtes Land nicht aufzugeben, sondern weiter dafür zu kämpfen. Trotz aller Herausforderungen, denen sie auf ihrem Weg begegnen können. Nichts ist für sie heutzutage einfach, sie haben Schwierigkeiten, Zugang zu den einfachsten Dienstleistungen zu bekommen, wie zum Beispiel elektrische Energie, um ihre Geräte zu benutzen. Aber auch der Kauf von Rohstoffen, die für die Produktion oder Verpackung der Waren benötigt werden, ist schwer. Die Inflation hat die Kosten aller Gegenstände, die während des Produktionsprozesses benötigt werden, um das zehnfache verteuert. Trotz aller Widrigkeiten stehen die Kleinbäuer*innen aufrecht, krempeln die Ärmel hoch und verdoppeln ihre Anstrengungen, um ihren einen Traum zu verwirklichen: die Bindung zu schützen, die sie zu ihrem Land haben. Darüber hinaus träumen sie davon, ihre tollen Produkte, die vor mediterraner Sonne strotzen, in internationalen Regalen ausgestellt zu sehen. Das Gefühl, etwas erreicht zu haben, hält sie am Laufen.
Wie profitieren die Produzent*innen vom Fairen Handel?
Fairer Handel hilft den Erzeuger*innen bei der Festsetzung fairer Löhne, die die Bäuer*innen und Arbeiter*innen vor stark schwankenden Marktpreisen schützt. Mehr denn je brauchen Bäuer*innen und Arbeiter*innen heute im Libanon diesen fairen Lohn, der sicherstellt, dass sie ihre Lebenshaltungskosten weiterhin decken können. Andererseits gibt es im Fairen Handel keine Zwischenhändler, was den Bäuer*innen und Arbeiter*innen ermöglicht, von einer höheren Gewinnspanne zu profitieren. Darüber hinaus trägt Fair Trade zum Schutz der Umwelt bei, indem das Bewusstsein für umweltfreundliche Anbau- und Produktionspraktiken geschärft wird. Außerdem bietet der Faire Handel auch sichere Arbeitsbedingungen, zum Beispiel durch geregelte Arbeitszeiten und Richtlinien, die Diskriminierung und Kinderarbeit verbieten.
Die meisten Eurer Produkte werden nicht nur im Libanon angebaut, sondern ebenso im Land weiterverarbeitet. Warum ist es so wichtig, so viele Schritte der Wertschöpfung im Land zu belassen?
Es ist von größter Bedeutung, dass die gesamte Produktionskette im Herkunftsland erfolgt. Zum einen, weil die Produktion optimiert und einer besseren Qualitätskontrolle unterzogen wird. Andererseits ermöglicht es, die Kosten zu reduzieren, besonders heutzutage, wo der Import von Waren im Libanon immer schwieriger wird. Schließlich und am wichtigsten ist, dass die Produktion im Libanon allen Akteuren in allen Phasen des Produktionsprozesses zugutekommt und die Lebensbedingungen einer größeren Anzahl von Menschen verbessert.
Was sind Eure Wünsche für die Zukunft?
Fair Trade Libanon wollte schon immer das lokale Wirtschaftswachstum ankurbeln und Kleinproduzent*innen und Bäuer*innen die Möglichkeiten geben, ihr Wissen und ihre Produktion zu erweitern, um ihr Leben zu verbessern. Wir möchten allen Menschen, egal ob Mann oder Frau, gleiche Chancen bieten, ohne Diskriminierung und sind stets bestrebt, die wirtschaftliche Inklusion von Frauen zu stärken. Wir möchten die Schaffung von Arbeitsplätzen fördern und nachhaltige Einkommen generieren, damit jeder einzelne Mann und jede einzelne Frau ein menschenwürdiges Leben führen kann, ohne sich um ihre Zukunft und ihre Kinder sorgen zu müssen. Wir wollen die Ernährungssicherheit verbessern, damit niemand im Libanon jemals an Hunger leiden muss. Wir möchten faire und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken umsetzen, um unser Land und hoffentlich die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und vor allem wollen wir, dass der Libanon ein produktives und nachhaltiges Exportland wird.
Vielen Dank Philippe Adaime!