Bis ein fertiges Produkt im Ladenregal steht, ist es ein langer Weg. Egal ob Kunsthandwerk oder Lebensmittel, viele Menschen sind an der Entwicklung neuer Produkte beteiligt. Unsere Einkäuferinnen Miriam Kramm für Kunsthandwerk und Gesa Petersen für Lebensmittel gewähren einen Blick hinter die Kulissen bei der Produktentwicklung.
Wie kommt es zu der Idee für ein Produkt?
Gesa: Für Lebensmittel gibt es im Prinzip zwei Wege. Oft sind es unsere Handelspartner, die Ideen für ihre Produkte haben. So ist zum Beispiel Coronilla aus Bolivien sehr kreativ, nach neuen Möglichkeiten für die Produktentwicklung zu suchen. So sind auch die neuen Quinoa-Fertigmischungen entstanden. Auf Initiative des Partners. Manchmal geht es aber auch den anderen Weg, dass wir Ideen haben, die wir an unsere Partner herantragen. So zum Beispiel bei den Brotaufstrichen von Turqle Trading aus Südafrika. Auch dieser Weg ist wichtig, denn wir wissen am besten, welche Gewohnheiten es in Deutschland gibt. In diesem Fall die Brotkultur.
Miriam: Im Kunsthandwerk liegt die Mehrheit klar auf den Entwicklungen der Handelspartner. Das ist auch unser erklärtes Ziel. Wir möchten den Handelspartnern möglichst nur eine Hilfestellung geben, damit ihre Produkte eine klare Verkaufschance auf dem Markt haben. Wichtig ist uns aber, die Innovationskraft der Partner zu nutzen und zu stärken. Ein Beispiel dafür ist auch unser Designworkshop. In der Realität ist es so, dass die Handelspartner oft eigene Designer haben, die die Ideen entwickeln. Oder aber die Produzenten selbst sind in ihrem Bereich die Künstler und entwerfen bei der Arbeit neue Produkte. Wir feilen oft noch an den Mustern. Manchmal halten wir andere Materialien für unseren Markt passender, manchmal andere Farben. Natürlich kommt es vor, dass wir Ideen an die Partner herantragen, aber dies spielt eher eine untergeordnete Rolle.
“Am Anfang steht die Idee”
Was sind die verschiedenen Schritte der Produktentwicklung?
Gesa: Am Anfang steht die Idee. Daraufhin folgt eine lange Phase der Erprobung. Die Produkte werden hergestellt und es wird lange an Parametern wie Geschmack, Konsistenz und Haltbarkeit gefeilt. Schließlich kommt es zum Thema Verpackungen. Wie kann ein Produkt so verpackt werden, dass es beim Versand nicht beschädigt wird und möglichst gleichzeitig nachhaltig ist, indem Plastik und Alufolie vermieden wird?
Miriam: Auch im Kunsthandwerk steht natürlich die Idee am Anfang. Diese wird dann konkretisiert in Form von Bildern oder Zeichnungen. Am besten arbeitet man vor Ort gemeinsam mit dem Partner in Gesprächen. Die Verständigung über etwas derart abstraktes wie verschiedene Designelemente ist denkbar schwierig. Vor Ort haben die Partner oft die Möglichkeit, Ideen direkt umzusetzen. Dann werden erste Muster erstellt, an denen gemeinsam gefeilt wird. Dabei haben wir natürlich immer Aspekte wie die Qualität oder Sicherheit im Blick. Im besten Fall kommt es am Ende zu der finalen Bestellung.
Wer ist an all diesen Schritten beteiligt?
Gesa: Es ist ein Viereck aus verschiedenen Abteilungen. An erster Stelle stehen unsere Partner, die konkret an den Produkten arbeiten, mit ihren Produktentwicklern und dem Qualitätsmanagement. Dann ist auch unsere Qualitätssicherung mit einbezogen, der Einkauf und der Vertrieb. Dieser prüft, inwiefern die Produkte für den Verkauf konkret geeignet sind. Am Ende arbeitet die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit mit, die über die verschiedenen Kanäle über die neuen Produkte informiert.
Miriam: Auch im Kunsthandwerk sind es eine Reihe von Menschen, die an einem Produkt mitarbeiten. Bei den Handelspartnern die Produzenten selbst, und auch Designer oder Produkt-Manager. Hier vor Ort, neben der Produktentwicklerin im Einkaufs- Team, die Kollegen aus dem Vertrieb oder aber andere, manchmal auch Personen aus dem persönlichen Umfeld. Jeder hat sein Steckenpferd. Wenn es zum Beispiel um Produkte für Kinder geht, frage ich auch die jungen Eltern aus meinem Team oder Freundeskreis nach ihrer Einschätzung.
Wie lange dauert der Prozess?
Gesa: Im Lebensmittelbereich mindestens ein Jahr. Dabei kommt es darauf, ob die Partner schon die Vorarbeit in der Produktentwicklung geleistet haben, wie zum Beispiel bei den Quinoa-Fertigmischungen aus Bolivien. Dann liegt es nur noch an uns, die Verpackungen an unser Design anzupassen, die Produkte zu ordern und in den Verkauf zu bringen.
“Es gibt tausend Fäden, die ins Leere laufen.”
Welche Hürden gibt es bei der Produktentwicklung?
Gesa: Um bildlich zu sprechen: Es gibt tausend Fäden, die ins Leere laufen. Wir verfolgen immer wieder verschiedene Ideen, die oftmals an den Gegebenheiten scheitern. Zum Beispiel haben unsere Partner manchmal nicht die geeigneten Möglichkeiten, um Produkte auf eine bestimmte Weise weiterzuverarbeiten. Für Mischprodukte, die wir in Europa verarbeiten lassen müssen, ist es oft nicht einfach Partner zu finden. Denn wir stellen bestimmte Anforderungen. So gibt es bei uns keinen Mengenausgleich, das heißt, der Verarbeiter muss die Produkte getrennt lagern und verarbeiten, was natürlich einen Mehraufwand bedeutet. Gleichzeitig haben wir für viele Verarbeiter zu geringe Abnahmemengen, so dass aus diesem Grund keine Zusammenarbeit entsteht.
Auch sind die Neuerungen im Lebensmittelbereich oftmals eine logistische Herausforderung. Beim Beispiel Chips lässt es sich gut erkennen. Wir müssen jetzt schon planen, was wir voraussichtlich in knapp zwei Jahren an Chipsbeständen verkaufen werden, denn heute müssen die Bauern die Maniok-Pflänzchen aufziehen, die dann neun Monate wachsen, verarbeitet werden, nach Deutschland transportiert und hier verkauft werden.
“Wir wollen den Handelspartnern keine Ideen überstülpen.”
Welche Rolle spielen Trends bei der Produktentwicklung?
Gesa: Im Lebensmittelbereich sind Trends weniger wichtig. Natürlich kommen uns jedoch aktuelle Trends wie bio, vegan und Superfoods gelegen. Aber der Faire Handel ist da eher ein Vorreiter. Denn all diese Produkte wie Quinoa, Chia-Samen, Moringa oder Mate-Tee gibt es schon sehr lange im Weltladen.
Miriam: Wir vermeiden es, den Handelspartnern Ideen und Trends überzustülpen. Aber natürlich ist gerade im Bereich Mode und Accessoires ein gewisses Trendbewusstsein wichtig. Dabei sind es vor allem die Farben, die eine wichtige Rolle spielen. Oder aber Trends, wie zum Beispiel die Eule, die seit einigen Jahren in verschiedensten Varianten auf den Produkten zu finden ist. Wir versuchen aber klar zu filtern, welcher Trend für uns und unsere Partner Sinn macht. Was können die Partner umsetzen und was hätte eine realistische Chance auf dem Markt?
Was dürfen wir an spannenden neuen Produkten für die Zukunft erwarten?
Gesa: Wir freuen uns sehr, dass wir unser Lebensmittelsortiment aus dem Libanon ausweiten können, mit Produkten wie Linsenpüree und Rotwein. Alle Produkte werden vor Ort gefertigt, so dass die gesamte Wertschöpfung im Land verbleibt.
Miriam: Der letzte Design-Workshop bei uns in Nordstemmen hat sich dem Thema Wellness gewidmet. Einige Produkte, die daraus entstanden sind, sind bereits im Verkauf, wie Yoga-Kissen, -Matten und -Taschen. Aber so viel darf ich verraten, das war längst nicht alles.