Interview mit Anne Löwisch

Anne Löwisch arbeitet als Geschäftsführerin bei der Mitka. Seit 1987 importiert die GmbH fair gehandelten Kaffee aus Mittelamerika, unter anderem für El Puente.
Was hat Dich zum Fairen Handel gebracht?
Letztendlich war es auch Zufall, obwohl ich schon länger im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und Lateinamerika tätig war. Am Fairen Handel hat mich dann die Vielfältigkeit gereizt und dass er nicht vorwiegend auf Projektförderungen basiert. Zentral war auch der Aspekt der Zusammenarbeit mit Kooperativen – ich bin überzeugt, dass die gemeinsame Organisierung von Menschen fast immer der beste Weg ist.
Für die Mitka bist Du viel unterwegs. Kannst Du Dich noch an Deine erste Reise erinnern?
Ja, sehr lebhaft. Es ging nach Nicaragua und El Salvador. Da habe ich nicht nur die Kooperativen, sondern auch die Mitglieder der Mitka, die mit mir unterwegs waren, kennengelernt und die Geschichte der Mitka. Ich habe festgestellt, welche Bedeutung eine langfristige Partnerschaft für die Produzent:innen hat und habe mir vorgenommen, sie sorgsam weiterzuführen. Gerade von Stefan Bockemühl von El Puente habe ich auf dieser Reise viel über die Werte und die Praxis des Fairen Handels gelernt.
Wohin reist Du besonders gerne und warum?
Das ist eine wirklich schwierige Frage. Eigentlich ist sie unmöglich zu beantworten, jedes Land und jede Kooperative ist spannend. Besonders sind immer die Reisen nach Nicaragua, da wir dort die meisten Handelspartner haben und es ungemein interessant ist, zu sehen, wie unterschiedlich sich die Grundbedingungen oder Geschehnisse in einem Land auf Kooperativen unterschiedlicher Größe und Geschichte auswirken und wie alle auf ihre ganz eigene Weise damit umgehen. Da kann man einen Aspekt, wie beispielsweise die Auswirkung einer Kaffeekrankheit, des Kaffeepreises oder einer Regierungsmaßnahme wirklich in all seinen Facetten beleuchten.
Welches war Dein eindrücklichstes Erlebnis in all den Jahren Engagement für den Fairen Handel?
Im Jahr 2018 haben wir eines unserer Handelspartnertreffen veranstaltet, zu dem Vertreter:innen aller Kooperativen aus Mittelamerika nach Nicaragua eingeladen waren. Kurz vorher kam es zu gewalttätigen Protesten in Nicaragua mit Straßenblockaden, massiven Verkehrseinschränkungen etc. Das Treffen stand auf der Kippe, aber schließlich hatten sich dann doch alle aus Europa, Mittelamerika und den ländlichen Regionen Nicaraguas irgendwie in die Hauptstadt Managua durchgeschlagen und wir konnten drei Tage intensive Diskussionen führen. Danach war ich sehr erleichtert, dass alle wohlbehalten an- und wieder nach Hause gekommen waren und bewegt, dass sie – gerade auch diejenigen, die das Reisen überhaupt nicht gewohnt sind – die Mühen und Risiken auf sich genommen hatten. Dieses große Engagement für unsere Handelspartnerschaft hat mich sehr beeindruckt.
50 Jahre weiter gedacht: Was denkst Du, wie sieht der Faire Handel der Zukunft aus?
50 Jahre sind ein langer Zeitraum. Schön wäre es natürlich, wenn es dann keine Wirtschaft mehr gäbe, die systematisch am Profit orientiert ist. Wahrscheinlicher ist, dass das ursprüngliche Anliegen des Fairen Handels, soziale Gerechtigkeit herzustellen und ungleiche Machtverhältnisse zu bekämpfen, immer noch ein zentrales Thema sein wird. In der Form wird der faire Handel wohl diverser sein und mehr und direktere Kommunikation beinhalten. Die Entscheidungsstrukturen und Besitzverhältnisse zwischen Produzent:innen, Fairhandelsimporteur:innen und Kund:innen werden viel verschränkter sein. Fairer Handel wird auch auf lokaler Ebene Thema sein – im Norden wie im Süden. Wichtig ist, dass dabei die Macht- und Besitzverhältnisse kontinuierlich hinterfragt werden, sowohl in und zwischen den Organisationen als auch im Nord-Süd-Verhältnis.
Was sind die größten Herausforderungen, vor denen der Faire Handel Deiner Meinung nach steht?
Im Kaffeesektor und sicher auch bei vielen anderen Produkten geht es darum, sich dem Klimawandel zu stellen und zu verstehen, dass Klimaschutz und Fairer Handel Hand in Hand gehen. Auf dem Land muss es möglich sein, ein gutes und auskömmliches Leben zu leben. Dazu müssen die Kooperativen auch der internen Belastung durch die gegenwärtige Landflucht standhalten. Bei vielen ist der Nachwuchs nicht gesichert.
Viel Arbeit steckt noch in der Festlegung und in der Vermittlung von Preisen, die sicherstellen, dass alle Beteiligten ein existenzsicherndes Einkommen erhalten. Dabei muss die ganze Lieferkette in den Blick genommen werden. Und schließlich darf die Tatsache, dass die digitale Welt die Möglichkeit eines direkten Kontakts zwischen einzelnen Produzent:innen und Konsument:innen bietet, nicht dazu führen, dass die Organisationen an sich aus dem Blick geraten.
Welcher ist Dein liebster Kaffee? Wie und wann trinkst Du ihn?
Die Frage nach dem Lieblingskaffee kann ich jetzt natürlich nicht zu konkret beantworten, am Ende liest es einer der Handelspartner... Ich mag den Kaffee jedenfalls schwarz und sehr gerne einen Kaffee mit betonter feiner Säure – mit Zentralamerika bin ich also in den passenden Ländern unterwegs. Den Kaffee trinke ich, wann immer ich ihn bekomme, den ganzen Tag über bis in den Abend hinein. Nur morgens nach dem Aufstehen trinke ich am liebsten erst einmal Tee.
Hier ist Platz, um El Puente noch ein paar Wünsche mit auf den Weg zu geben.
Ich wünsche El Puente, dass ihr euch trotz der zunehmenden Komplexität des Fairen Handels eure Unkompliziertheit bewahrt und damit wie bisher für alle Herausforderungen schnelle und ganz klar auf das Wohl der Produzent:innen gerichtete Lösungen findet.
Vielen Dank Anne Löwisch!