Interview mit Ulrike Bytof & Rosita Jung-Concha

Rosita Jung- Concha Die gebürtige Chilenin ist bereits ein Jahr, nachdem sie nach Deutschland kam, Mitglied im El Puente e.V. geworden. Heute ist sie 1. Vereinsvorsitzende und aktiv im Weltladen in Hildesheim.

Ulrike Bytof ist seit zwei Jahren Koordinatorin des El Puente Weltladens in Hildesheim und im Vorstand des El Puente e. V. tätig.
Was habt Ihr für Faire Produkte bei Euch zu Hause?
Ulrike: Auf jeden Fall jede Menge Schals, Halsketten, Ringe und Ohrringe. Ich trage sehr gerne Ohrringe, das ist mein Schwerpunkt.
Rosita: Um auf faire Weise wach zu werden, trinke ich morgens gerne Fair Trade-Kaffee. Und dann habe ich natürlich viele Gewürze, für die Würze des Lebens. Und nicht zuletzt faire Körbe und Dekoration, die das tägliche Leben bereichern. Bei diesem Anblick schweife ich gedanklich in die Ferne.
Welches Produkt sollte es aus Fairem Handel geben, das es bisher nur im konventionellen Handel gibt?
Ulrike: Ich fühle mich im Weltladen sehr gut aufgehoben, weil das Angebot so umfassend ist. Kaffee, Tee, Gewürze, im Prinzip fehlt nichts mehr. Mittlerweile gibt es auch viele Anbieter für faire Kleidung. Ich glaube, wir haben in Deutschland schon ein sehr breites Sortiment.
Rosita: Die Basis an fairen Produkten ist auf jeden Fall da. Faire Lebensmittel und Kunsthandwerk können das tägliche Leben schon abrunden.
Rosita, was ist Dein liebstes Gericht mit fairen Zutaten?
Rosita: Da gibt es sowohl Süßes als auch Salziges, was ich sehr gerne mag. Zu meinen Favoriten gehört fairer Reis mit einer gut gewürzten Soße und Gemüse. Für den Nachtisch
nutze ich gern Tea Time von unserem Handelspartner Turqle Trading aus Südafrika. Das passt zu den unterschiedlichsten Speisen wie Obstsalat oder einem einfachen Quark oder Joghurt.
Wie seid ihr zum Fairen Handel gekommen?
Rosita: Durch El Puente. Es war im Jahr 1972, ich war gerade einmal ein Jahr in Deutschland. Zu dieser Zeit gab es ein Treffen in der Volkshochschule in Hildesheim, um den El Puente Verein zu präsentieren. Ich las die Ankündigung und wusste direkt, da musst Du hin. Allein schon der spanische Name sprach mich an. Außerdem ging es um die Dritte Welt, und ich kam aus einem Dritte-Welt-Land. Ich wurde also sofort Mitglied. Das war meine erste Begegnung, seitdem bin ich dabei. Trotz meinen Höhen und Tiefen im Leben, aber El Puente war immer die gerade Linie.
Ulrike: Ich bin 27 Jahre später dazugestoßen, 1999. Bei wir war das ein bisschen anders, es gab schon den Weltladen in der Osterstraße. Alles war schon etablierter. Ich bin eingestiegen, weil jemand als Verkaufskraft und zur Dekoration des Schaufensters gesucht wurde. Ich kannte den Weltladen und habe mich schon lange für die Idee interessiert. Außerdem hatte ich schon immer eine Vorliebe für Musik oder Kunsthandwerk aus anderen Ländern. Während andere Rock- und Popmusik hörten, habe ich Musik aus Südamerika gehört. Das war die Verbindung für mich und ist sie bis heute geblieben.
Rosita: Musik interessierte mich auch, aber für mich war es besonders spannend zu hören, dass sich hier in Deutschland Menschen für eine faire Bezahlung der Menschen in anderen Ländern interessieren. Ich komme von dort, ich kenne die Situation. In Lateinamerika kommt ein Zwischenhändler und fegt alles weg oder bezahlt schlecht. Zu sehen, dass sich Menschen in Deutschland für den Fairen Handel einsetzen war schon enorm. Und es ist toll, dass das bis heute passiert.
Ihr habt schon den ersten El Puente Weltladen in der Osterstraße erwähnt. Könnt Ihr den ein bisschen beschreiben?
(Beide Lachen)
Ulrike: Man stelle sich vor: klein, verwinkelt, Ikea-Holzregale, das alte El Puente-Logo an der Decke, das später übergestrichen wurde, weil es wirklich die Decke heruntersenkte. Das war recht alternativ, wie man heute wohl sagen würde.
Rosita: Es gab auch einen Keller, in dem wir uns getroffen haben, gesungen und über Projekte gesprochen haben, unsere weiteren Pläne. Was man heute als Ladentreffen bezeichnen würden, hatten wir damals eben in diesem Keller.
Wie ist der Unterschied zu heute, was hat sich verändert?
Ulrike: Eine ganze Menge, angefangen von den Räumlichkeiten…
Rosita: Ja, wir haben auch deutlich mehr Mut zum Risiko. Dass wir von der Osterstraße in die Scheelenstraße umgezogen sind, daran bin ich sozusagen Mitschuld. Oder besser: Ich bin Mitgestalterin. Ich fand damals, wir müssen mehr in die Stadt. Dann habe ich mich allein auf den Weg gemacht. Ich habe geschaut, wo etwas leer war und mich umgehört. Am Anfang war ich sehr vorsichtig, weil nicht alle mit den Umzugsplänen einverstanden waren. Aber ich hatte Unterstützung von Stefan Bockemühl, dem damaligen Geschäftsführer der El Puente GmbH. So sind wir schließlich in der Scheelenstraße gelandet. Es war viel zu machen, da die Räumlichkeiten zuvor die Büros einer Versicherung waren. So sind wir schließlich im Herzen von Hildesheim gelandet.
Ulrike: Der Umzug hat sich wirklich gelohnt. Die Entwicklung ist bis heute steigend. Darüber freuen wir uns natürlich riesig. Auch das Team verändert sich auf diese Weise stetig, es ist immer Bewegung drin. Und die Veränderungen sind bisher immer zum Positiven.
Wie hat sich das Produktsortiment verändert?
Rosita: Die Basis ist geblieben, aber durch die größeren Räumlichkeiten gibt es eine Ausweitung. Nur… Die Hebammentaschen. Die vermisse ich. Es gab Produkte aus Paraguay,
die ersten, die wir von El Puente importiert haben, und die hießen so, Hebammentaschen.
Ulrike: Wir hatten auch einmal Zehensandalen aus Paraguay, die vermisse ich. (beide lachen)
Neben dem reinen Verkauf macht ihr auch Bildungsarbeit, könnt Ihr darüber etwas erzählen?
Rosita: Das ist mein Schwerpunkt. Ich finde die Verbindungen mit den Schulen ganz wichtig, mit den Grundschulen angefangen. Ich sehe es als unsere Aufgabe, junge Menschen zu sensibilisieren. Denn sie sind unsere Nachfolger. Es ist wichtig, dass sie den Fairen Handel kennenlernen. Und das schon von Anfang an. So arbeiten wir viel mit Kindern und Jugendlichen zusammen, angefangen von der Grundschule bis hin zu Gymnasien und Berufsschulen.
Ulrike: Wir haben auch viele regionale Verbindungen wie Hi-Land, Brücke der Kulturen. Mit der Heilig-Kreuz-Kirche haben wir im letzten Jahr sogar während der Corona-Pandemie eine tolle Veranstaltung machen können.
Ihr habt oft Handelspartner zu Besuch bei Euch im Laden. Welche Begegnung ist Euch besonders in Erinnerung geblieben?
Ulrike: Der Gast aus Ruanda von der Kaffeekooperative ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Das war eine sehr herzliche und bereichernde Begegnung.
Rosita: Ja, und auch die beiden Gäste von der Kaffeekooperative aus Honduras. Da konnten wir einer großen Öffentlichkeit die Kaffees zeigen, die wir verkaufen. Bei den Gästen aus Nepal habe ich auch eine Stadtführung gemacht. Der Gast von Anapqui aus Bolivien war auch spannend. Die Kleinbäuer*innen bauen dort Quinoa an und ich fand es interessant zu erfahren, dass die Qualität, die Anapqui über den Fairen Handel verkauft, besonders hochwertig ist. Nicht einmal das Reformhaus liefert eine solche Qualität. Es waren also viele spannende Begegnungen.
Der El Puente Verein ist jetzt 50 geworden. Was denkt Ihr, 50 Jahre weiter gedacht, wie könnte der Faire Handel dann aussehen?
Ulrike: 50 Jahre ist ein weiter Raum.
Rosita: Wünschenswert ist, dass der Faire Handel weiter besteht, dass er mehr Anerkennung bekommt. Dass die Menschen in ihren Ländern glücklich sind, dort bleiben dürfen und nicht flüchten müssen. Ich glaube aber auch, viele Dinge brauchen ihre Zeit, bis sie im Bewusstsein ankommen. Wenn ich überlege, dass wir vor rund 40 Jahren die ersten Jute-Beutel mit dem Spruch „Jute statt Plastik“ angeboten haben und wir heute erst soweit sind, dann zeigt sich, viele Veränderungen brauchen Zeit. In 50 Jahren kann es also nur besser werden.
Ulrike: Ja, das stimmt. Sehr erstrebenswert wäre, dass sich der Faire Handel auf alle überträgt. Dass Weltläden noch mehr werden, dass es die Produkte auf größeren Flächen gibt.
Rosita: Ja, das sich der Faire Handel etabliert.
Vielen Dank Ulrike Bytof und Rosita Jung-Concha!